Der Hund als Ersatz
Viele Menschen holen sich keinen Hund. Sie holen sich einen Ersatz für etwas, was fehlt. Um das erkennen zu können muss man gar nicht alle Geschichten kennen. Man muss nur genau hinschauen und ein bisschen Systemdenken besitzen.
Fangen wir damit an, dass sich der erste Absatz schon für einige anfühlen wird wie ein Angriff oder ein Vorwurf. Dabei geht es gar nicht darum jemandem zu sagen, er habe eine schlechte oder eine gute Entscheidung getroffen. Auch mir fehlte es an etwas bevor ich meine Hunde hatte. Ich war allein, ich hatte keine Aufgabe und ich hatte schlichtweg Langeweile im normalen Arbeitsalltag. Mir fehle Gesellschaft, eine Aufgabe, eine Verantwortung und auch etwas zu tun.
Ich habe im Laufe des Austauschs auf Social Media einige Hundebesitzer gesehen und beobachten können. Die Muster scheinen klar zu sein.
Ich möchte mich in diesem Artikel allerdings auf zwei Gruppen beschränken, die vermutlich jeder von uns kennt. Diese sind vereinfacht beschrieben.
Gruppe 1: Die, die ihrem Hund Gehorsam einprügeln
Gruppe 2: Die, die ihre "Traumata" am Hund aufarbeiten
Gruppe 1 sind die, die davon sprechen, dass der Hund auf den Menschen hören muss. Ein Mal gesagt und dann gemacht. Wenn nicht, gibt es Konsequenzen.
Gruppe 2 möchte nicht, dass es dem Hund zu irgendeiner Zeit schlecht geht. Die, die das Wort "Trauma" zweckentfremden, weil ihnen in ihrem Leben Unrecht getan wurde.
Gruppe 1 wünscht sich jemanden, dem sie überlegen sind. Wenn aber irgendwann klar wird, dass sie nicht den Menschen überlegen sein können zu den sie aufschauen, ersetzt der Hund eben das Gefühl. Der Mensch ist höher. Der Mensch ist stärker. Auch nur dann, wenn man den Hund als minderwertig betrachtet und das zu jeder Zeit einfordert. Bleibt der Hund minderwertig, bleibt der Mensch höherwertig und ihm überlegen.
Gruppe 2 wünscht sich eine andere Vergangenheit. Sie wünschen sich weniger Machtverhältnis zu ihren Eltern und weniger Systemzwang. Sie wünschen sich ihre Lebenserfahrungen und die damit verbundenen Schmerzen nicht an die nächsten Generationen weiterzugeben. Ihnen fehlt jemand, der sie mit ihrem Kindeshirn auf Augenhöhe begegnet wäre. Das ist ganz rational gesehen ein moralisch und ethisch schöner Weg. Dennoch wird der Hund zur nachträglichen - fast schon korrigierten - Kindheit. Er soll geben, was damals gefehlt hat. Geborgenheit ohne Machtspiel. Nähe ohne Angst. Zuwendung ohne Bedingungen. Die Menschen werden zu den Bezugspersonen, die sie gerne gehabt hätten.
Die sie gerne gehabt hätten. Sie. Und nur sie.
Beide Gruppen sind vom Kern gleich. Sie nutzen den Hund, um etwas zu bekommen, was sie nicht haben, nicht hatten oder gerne hätten.
Der Hund wird plötzlich zum sicheren Ort und trägt uns, obwohl er einfach nur unser Freund sein könnte.
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